Karate-Club Seelze startet mit Lehrgang ins 50. Jubiläumsjahr
Mit der offenen Hand halten die rund 40 Kämpfer die imaginären Angreifer auf Distanz,
geschmeidig hebeln sie die Arme der Gegner, stilvoll-elegant brechen sie deren Gelenke.
Im 50. Jahr seines Bestehens ergründete der Karate-Club Seelze (KCS) in der Sporthalle
der Brüder-Grimm-Schule die verborgenen Techniken der Kata Shisochin, einem
formvollendeten Kampf gegen unsichtbare Gegner. Karateka von Niedersachsen bis
Baden-Württemberg waren dieser Einladung gefolgt.
Der Tod ist kein Ballettmeister
Die Hände offen, die Finger gestreckt, um mit ihnen pfeilschnell zuzustechen; geschmeidig wie ein Raubtier wechseln die Karatekas zwischen Verteidigung und Angriff. Was wie eine ästhetische Choreografie aussieht, ist in seinem Ursprung ein symbolischer Kampf gegen unsichtbare Gegner. In der Realität ging es den alten Meistern jedoch ums reine Überleben.
„Jede Kata für sich betrachtet stellte einen eigenen Kampfstil dar, den die alten Meister verschlüsselten und nur ausgewählten Schülern offenbarten“, erklärte der Vorsitzende des Karate-Clubs Seelze, Thomas Keese. „Diese gaben ihr Wissen wiederum an ihre Schüler weiter, und so blieb die Kunst über Generationen erhalten.“
Wenn der Tiger zuschlägt
Die Kata Shisochin entstammt dem chinesischen „Tiger-Stil“. Der Karate-Club Seelze versucht in seinen Lehrgängen, dieses alte Wissen neu zu ergründen. Der KCS ist der größte seiner Art in Norddeutschland; mit seinen zahlreichen hochgraduierten Schwarzgurt-Trägern, mit Sicherheit auch einer der profiliertesten.
Entsprechend beliebt sind die Lehrgänge bei auswärtigen Kampfkünstlern. „Einige Karateka sind Stammgäste, die wir auf nahezu jedem Lehrgang begrüßen können“ freut sich Keese.
Kampfkunst ist mehr als das, was wir sehen
Ist diese Bewegung eine Verteidigung? Ist sie ein Angriff? Kommt drauf an, meint Silvio Korte. Jeder Kampf ist anders, jede Kata vieldeutig. „Den alten Meistern war es wichtig, dass ihre Schüler die Bewegungen verinnerlichten. Nur so konnten sie in einer Auseinandersetzung intuitiv richtig agieren“, meinte Korte.
„Kata beinhaltet mehr als das stumpfe Aneinanderreihen bestimmter Bewegungsabläufe und Techniken, um sich übelmeinenden Gegner zu erwehren“ erklärt Klaus Mergel. Das Gründungsmitglied des Vereins ist Träger des 6. Schwarzgurts.
In dem mit Barbara Remer (5. Dan) vorgeführten Kata-Drill sieht er ein Handbuch, das den Techniken in Form einer fortlaufenden Geschichte neuen Sinn verleiht. „Doch es ist lediglich eine mögliche Interpretation“, betonte Klaus Mergel.
K.o. mit Stil und einem Lächeln
Anschließend zerlegte Paul Stock (6. Dan) die Kata in kurze Verteidigungs-Szenarien. Filigran analysierte er jede Bewegung. Präzise und gleichzeitig spielerisch leicht greift er Schwachpunkte des Gegners an. Hier etwas drücken, da ein Schlag oder Hebel. Autsch! Keine Hektik. Keine Bewegung ohne Schmerz. Ökonomie als Maxime der Kampfkunst.
Schlagfertigkeit auf den vitalen Punkt gebracht
Lehrgangs-Schlusspunkte setzte Silvio Korte, Träger des 6. Schwarzgurt im Karate und 3. Schwarzgurt Kyusho Jitsu. Kyusho, der „Sekundenkampf“, geht vom ursprünglichen Zweck asiatischer Kampftechniken aus: das eigene Leben zu schützen. Schnell. Effektiv. Ohne Schnick-Schnack. „Das ist nicht schön, aber wirkungsvoll.“
Auch ältere oder schwächere Personen können einen Kampf mit dem ersten Griff beenden. Entscheidend ist nicht die Kraft, sondern das Gewusst-wie.
Wie in der Akupunktur versuchen die Kämpfer Vitalpunkte zu drücken, anzuschlagen oder zu reiben. Die Folgen: Schmerzen, Lähmungen. Oder auch K.o. Immer wieder zeigt Korte einzelne Sequenzen und bringt mit einer ordentlichen Prise Humor sowie etwas „Nachdruck“ seinen Trainingspartner zu Boden.